01 Dez Digitalisierung braucht Vertrauen
Gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir vermehrt am Computer sitzen, stellt sich die Frage wieder häufiger, was denn mit unseren Daten passiert. Denn längst hat jeder von uns ein „digitales Ich“, das sich aus den tausenden von Daten zusammensetzt, die wir beim alltäglichen Surfen durchs Netz hinterlassen. Dieses „digitale Ich“ wird von mannigfaltigen Tracking-Technologien verfolgt, gespeichert und ausgewertet. Dabei kommen immer komplexere Algorithmen zum Einsatz, die vom Laien nicht mehr zu durchschauen sind. Nicht nur, weil großen Teilen der Bevölkerung weitestgehend die entsprechenden Kompetenzen („digital literacy“) fehlen, sondern insbesondere auch, weil Konzerne den Code ihrer mächtigen Tools sorgsam als Firmengeheimnis schützen. Das Vertrauen von Anwenderinnen und Anwendern wird an dieser Stelle zur wichtigen Währung.
Wer seine persönlichen Daten in die Hände von Technologien gibt, die sich dem eigenen Verständnis entziehen, möchte sich sicher sein, dass diese Hände sensibel damit verfahren. „Wir brauchen für Technologien mit künstlicher Intelligenz neue Formen der Zertifizierung, denen die Anwender vertrauen können und die gleichzeitig die in den Algorithmen versteckten Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen wahren,“ fordert Prof. Dr. Andreas Oberweis, Vorstand am FZI Forschungszentrum Informatik.
Das Vertrauen von Anwenderinnen und Anwendern ist schon lange angeknackst. Selbst wenn ein Unternehmen alles dafür tut, seine Daten und die seiner Mitarbeitenden, Geschäftspartner und Kunden ausdrücklich zu schützen, bleiben viele skeptisch. Laut einer Umfrage der Boston Consulting Group in Europa bringen 51% der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland ihren Unternehmen in puncto Datenschutz kein Vertrauen entgegen (53% in Großbritannien , 57% in Spanien und 62% in Frankreich ,). Aus dem ARD-„Deutschlandtrend“ von 2019 geht hervor, dass 61% der deutschen Internetnutzer große bis sehr große Angst vor Datenmissbrauch haben.
„Gelingt es den Unternehmen jetzt nicht, nachhaltig Vertrauen zu schaffen, wird es zunehmend schwieriger für sie, das enorme wirtschaftliche Potenzial ihrer Kundendaten zu nutzen“, kommentiert Joachim Stephan, Senior Partner bei der Boston Consulting Group. Das weltweite Marktpotenzial vertrauensvoller Datennutzung werde auf rund 940 Mrd. Euro pro Jahr bis 2020 geschätzt. Datenschutz ist damit ein erheblicher Wirtschaftsfaktor.
Unternehmen tun also gut daran, die digitale Souveränität über Daten und Entscheidungen technisch zu gewährleisten. Gleichzeitig sollten sie kontinuierlich um Vertrauen werben. Das heißt, die Digitalisierung muss kommunikativ begleitet werden – und zwar von Menschen. Je komplexer die Technik wird, desto mehr sollten Unternehmen in Zukunft auf den persönlichen Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden, aber auch zu allen anderen Stakeholdern setzen. Das Vertrauen, das heute fehlt, kann nur gewonnen werden, wenn Unternehmen sich für einen ehrlichen Dialog öffnen, der es Menschen ermöglicht, sich mit ihren Bedenken gegenüber der Technik einzubringen. Was sie dafür vor allem brauchen: Gesichter, an die sie sich wenden können.
Photo: Canva Studio, Pexels https://www.pexels.com/photo/photo-of-people-using-laptop-3194521/
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